Weissenbach > Elbigenalp > Weissenbach
62 Km / 168 Hm ↑
Text & Fotos: André-S. Niedzielski
Abfahrt in Weissenbach, etwa Zehn Kilometer von Reutte entfernt, das Wirtschaft und Verwaltungszentrum dieser nordtiroler Gegend, unmittelbar an der bayerischen Grenze die auch als „Außerfern“ bezeichnet wird. Herrlicher Oktobertag unter starken Föhneinbruch: strahlende Sonne, milde Temperaturen durch die klimatische Südströmung und eine außerordentliche Leuchtkraft die die Einzelheiten des Landschaftsbildes hervorhebt. Zu diesen frühen Stunden weht eine frische Gegenströmung Tal aufwärts…genau meine Richtung, ein Segen für den Radfahrer!

Weissenbach – Kirche Sankt Sebastian
Gratis Parkplatz auf dem weiten Areal vor der Pfarrkirche Sankt Sebastian. Schnelle Überquerung der viel befahrenen Hauptstraße und plötzlicher Übergang in eine Traumwelt für Radwanderer: breiter geteerter Radweg mit ausgezeichneter Wegmarkierung, der sich mitten in einem mediterran wirkenden Kieferwald, schlängelt.

Holzbrücke am Radweg
Ein breites Naturschutzgebiet das 2004 erstellt wurde und das unter anderem die seltene Deutsche Tamariske und viele Wacholderbäume beherbergt. Nach drei Kilometer reinem Fahrvergnügen führt der Radweg an den „wilden Lech“, der Fluss, der in diesem Bereich seine jahrhundertealte Gestalt behalten konnte.

Der „wilde Lech“
Ein in Europa selten gewordenes Bild nach all den intensiven Veränderungen der Flusslandschaften zugunsten der Menschensicherheit, aber auch der reinen ökonomischen Ausnutzung. Zumindest auf diesem Tiroler Abschnitt des Flusses, der später in Bayern reihenweise Staudämme und Kanalisationsbereiche durchfließen muss, wurde der original Charakter des Lechs bewahrt. Außergewöhnlich breites Bett, das bis zu mehrere hundert Meter betragen kann. Schotterhaufen, Schluchten, kleine Inseln, Seitenarme und Mäander zeugen für die Authentizität des wilden Zustands des Flusses.

Weissenbachsee

Radlernfreude…
Danach kommt der Radweg an einen kleinen smaragdgrünen See, den Lechausee und steigt anschließend auf Halbhöhe am linken Berghang, überragt dadurch die meiste Zeit Tal und Fluss. Ständiger Laufwandel des Lechs zwischen freiem breiten Bett und engen tiefen Stellen nahe an Felsen.

Naturpark Tiroler Lech

Tiefe Wasserrinne
Letzte Spur der industriellen Zivilisation, eine riesige Zementfabrik die vom Kalkgehalt des alpinen Gesteins profitiert. Danach ein Radweg mitten in der Natur und nahe am Fluss…manchmal auch sehr nahe, sodass jeglicher Fahrfehler ein eiskaltes Bad zufolge haben könnte! Hinzu verursachen die quer verlaufenden Kieferwurzeln deutliche Asphaltdellen, die auch tückisch sein können.

Typische Furt am Lech
Doch wenig Wasser im Lech nach einem besonders heißen und trockenen Sommer. Zeitweise wahre Furten, wo die Überquerung leicht möglich wäre. Auf der Höhe eines Lechzuflusses, der Schwarzwasserbach, steile Passage des Radweges bis zu einer völlig neuen Holzbrücke. Darunter die Überreste der alten Brücke, die womöglich durch Hochwasser im Frühling ,wenn die Schneeschmelze einsetzt, weggespült wurde.

Brückenreste
Von da aus taucht die jetzt quasi flache Radstrecke in einen dichten Kiefernwald, dann vorbei an einzelnen Dörfern wie Elmen und Häselgehr mit der imposanten Brücke über den Fluss. Kurzer Übergang auf einer Landstraße und wiederum am Lech entlang, größtenteils auf Schotterpisten.

Forchach – Hängebrücke

….Idylle am Radweg

Vorderhornbach

Weiher am Weg
An einem sonnigen Hang, das Dorf Elbigenalp (900 Einwohner), ein wichtiges touristisches Zentrum nicht nur wegen seiner vorzüglichen Lage im Herzen vom „Ausserfern“ und Ausgangspunkt für eine Anzahl von Bergwanderungen aller Art, sondern auch für seine kulturelle Attraktivität als weltweit anerkannter Mittelpunkt der Holzschnitzerei.

Zwillinge

Elbingenalp – Typisches Haus mit Fresken
Demnach werden des öfteren wichtige Ausstellungen angeboten und die Ortschaft beherbergt eine regelrechte Schnitzschule mit Internat. Auffallend gepflegte alpine Architektur der Häuser, seien es edle Hotels, kleine Pensionen oder Bauernhöfe, manche sogar durch Fresken oder Stuck-arbeiten geschmückt.

Der „Bluatschink“ Ungeheuer und Fabeltier aber auch „lechbeschützer“
Außerdem ist das Dorf durch seine Freilichtbühne bekannt, wo die Geschichte der „Geyer Walli“ im Sommer unter freiem Himmel dargestellt wird. Der Roman von Wilhelmine von Hiller, um 1873 publiziert, dient als Grundlage für das Theaterstück, das kurz gefasst, die Abenteuer eines jungen Mädchens darstellt, das als „Bauernbub“ erzogen wird. Dabei weist es etliche Tapferkeitshandlungen, unter anderem den Angriff auf ein Geyernest, riesige Raubvögel die es ernst meinen können! Im Grunde aber, eine historische Anspielung an die Emanzipation der Frauen.

Bekannte Köpfe mit Spruch

Fachschule und Internat
Unweit von hier beim Dorf Bach, könnte der „Botanische Lehrpfad Jöchelspitze“ mit einer Vielfalt an Bergblumen die Gartenliebhaber begeistern: Eisenhut und gelber Enzian, blaue Glockenblumen, Arnika sowie Alpenrosen. Weiter oben entlang des Pfades, kann sich der Wanderer an einer erstaunlichen alpinen Flora erfreuen: weiße Anemonen, blauer Eisenhut, Buntlilien und Steinnelken.

Ade Elbigenalp – Die Barock Kirche Sankt Nikolaus mit 2 Friedhofskapellen, davon Sankt Martin aus dem 15 Jh.
Mögliche Rückfahrt über mehrere Radrouten – die Varianten -, alle mit passender Wegmarkierung, teils an der rechten Uferseite, teils mit Abstecher über die verschiedenen Dörfer des Tales, oder über die klassische Strecke an der linken Uferseite.

Häselgehr – Die Lechbrücke

Canyoning – Center

…auch Sport!
In Häselgehr, kommt man vorbei an einem von eher jüngeren Touristen gepriesenen Canyoning –Center. Spaß und Heiterkeit und nicht selten im Alleingang Sorglosigkeit, weil die alpinen Gewässer, je nach Wasserstand doch eine feste Erfahrungsgrundlage verlangen können. Der Tourismus bildet übrigens eine der Hauptsäulen der lokalen Wirtschaft, daneben die Holzindustrie und die Milchwirtschaft mit dem bekannten Braunvieh, die netten Milchkühe der Alpen.

…am Weg

Prächtiger Tiroler Herrensitz
Die Tage sind jetzt kurz und es wird merklich kühler, besonders auf den Abschnitten des Radweges im Schatten oder im dichten Wald. Demgegenüber stehen die Bergspitzen noch in voller Sonne und heben sich scharf ab vom sanften Himmelblau, das an Italien erinnert. Außergewöhnliche Ausgelassenheit mit einer weiteren Verstärkung des Fahrspaßes mitten in dieser fast unveränderlichen Natur.

Fast in der Mitte der Straße: Filialkirche Sankt Josef in Martinau – Bemerkenswert: Hochaltar mit heiligen Figuren
Noch einzelne Fotos am bewaldeten Ufer und schon wird der Kirchturm Weissenbach über den Baumspitzen sichtbar.
Fazit: ein besonderer Radweg, entlang eines eigenartigen Flusses, der mitten in einer kraftvollen Tiroler Berglandschaft seinen ursprünglichen Charakter behalten hat.
http://www.meine-velotouren.de/skilanglauf-im-tannheimertal-1/
http://www.meine-velotouren.de/madau-in-den-tiroler-alpen/
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Klaus Hofmann
Wunderschöne Reportage, sehr interessant was Sie alles sehen.
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Besten Dank für Ihr freundliches Interesse….auf dem Rad sieht man vieles!
25. Dezember 2018 — 18:48