Kientzheim > Colmar > Kientzheim 

(23 km / 94 Hm↑= Höhenmeter)

Kientzheim > Dörfer der Weinstrasse > Kientzheim

( 33 km  / 234 Hm↑)

Kientzheim > Neuf-Brisach > Kientzheim

( 63 km / 47 Hm↑)

Die Weinlese naht

Die Weinlese naht…

Text & Fotos: André-S. Niedzielski

Im Bezug auf Radwandern aber auch auf Reisen im Allgemeinen, ist meistens die Abreise am kompliziertesten. Radtouristen haben viel vorzubereiten, eine Menge an Einzelheiten muss berücksichtigt werden: Regen, Hitze, Wind, auch die Kälte. Heutzutage gibt es eine Anzahl an Möglichkeiten sich über die Medien wertvolle Informationen anzueignen. Die Wetteraussichten für gut zwei Wochen im Voraus zum Beispiel. Es kann dadurch zu Verzögerungen oder sogar Absagen kommen…und zu guter Letzt, wird trotz allem losgefahren!

August 2015 Alsace - Trip 009

Einfahrt in Kientzheim

Die erste Gepäckauswahl abgeschlossen, geht es zur Waage. Darauf folgt unwiderruflich die zweite Gepäckauswahl. Diesmal können wir, mein Sohn und ich, recht großzügig bleiben, weil wir die Radreise ins Elsass als Sternfahrt von Kientzheim aus geplant haben. Ganz anders schaut es aus, wenn eine Strecke über mehrere Etappen zu befahren ist. Hier ist ein fundierter Minimalismus gekoppelt mit Radreise Erfahrung gefragt.

August 2015 Alsace - Trip 020

Weinberge unendlich. Im Hintergrund, die Vogesen

Kientzheim - Fassade

Kientzheim – Fassade

Der Wagen wird voll beladen, mit Gepäck, Fahrrädern und Tagesproviant. Während der ersten Fahrt Kilometer  wird die Liste der notwendigen Gegenstände in Gedanken auf Vollständigkeit nachgecheckt. Nach und nach distanziert man sich vom Alltäglichen und die nahe Tour samt Vorfreude kann beginnen.

August 2015 Alsace - Trip 017

Hussen – Sportgeschäft

Weinbau

Autobahn nach Lindau, der reizende Uferbereich des Bodensees, dann Richtung Schweiz bis Basel mit dem stark industriellen Umfeld. Fabriken, Lagerhallen, die enormen Tanks der Ölraffinerien… sogar der Himmel ist in allen Richtungen von Hochspannungskabeln  überspannt. Man kann sich nur freuen, dass die Autobahn weiter geht, die Landschaft wirkt langsam wie aufgelockert. Die fruchtbare elsässische Ebene breitet sich bis zu den ersten Rundungen der Vogesen aus. Nach Colmar kommen wir schnell zum Ziel unserer Autofahrt: Kientzheim. Ein entzückendes kleines Dorf mitten in den Weinbergen. Beiderseits der Hauptstraße, zwei Wasserrinnen, die die Luft abkühlen wollen, denn es ist sehr warm. Wir haben gerade eine der vier Hitzeperioden des Sommers 2015 mit Nachmittagstemperaturen um die 30 Grad – wenn nicht sogar mehr – getroffen.

Überraschung...

Überraschung auf dem Weg…

Im Hof des Hotels – eine frühere Abtei aus dem XI Jh. –  können wir in voller Ruhe unser Material ausladen. Kientzheim insgesamt strahlt diese mittelalterliche Epoche aus. Schmale Gassen und Portale, dazu eine farbenfrohe Dekoration mit Blumen an beinahe jedem Haus. Fotospaß garantiert.

Kientzheim

Dieser ermutigende Willkommenseindruck lässt uns gleich auf die Fahrräder steigen und die erste Strecke anpeilen. Richtung Colmar, die Stadt, die wir am ersten Tag besuchen wollen. 40 Kilometer auf der Ebene, eine an sich gute Fahrradkarte als Anleitung, es müsste leicht machbar sein. Problematisch wurde jedoch der Radweg. Oft müssen die Radler improvisieren und wir fahren einfach durch die Weinberge Richtung Stadt. Schmale Landstraßen, die zu dieser Tageszeit doch sehr verkehrsstark sind.

August 2015 Alsace - Trip 033

Ribeauvillé – Hauptstraße und Schloß Sankt Ulrich im Hintergrund

Wir treffen auf einzelne Radfahrer, die ebenso ihren Weg suchen und endlich, ganz zufällig, ist die Vorstadt von Colmar erreicht. Von hier aus bis zur Stadtmitte sind es aber noch einige verkehrsintensive Kilometer. Wir konnten keinen Radweg erkennen und die Hinweisschilder sind rar. Gefährdet sind vor allem die Schwächsten, die Radfahrer.

Glücklicherweise ist die Stadt nicht allzu groß und wir kommen „froh und munter“ an unser Ziel. Die Altstadt von Colmar ist mit ihren Fachwerkhäusern, den farbenfrohen blumigen Gässchen und den berühmten „Winstuben“ ausgesprochen malerisch. Ein belebtes,  touristisches Altstadtviertel wo man gerne entspannt verweilt.

August 2015 Alsace - Trip 037

Fachwerkhäuser

Die Nacht bricht aber langsam ein und nach einem schnellen Imbiss in einer typischen  Bierstube mit „Tarte Flambée“ (Art elsässische Pizza) fahren wir mitten im Abendverkehr aus der Stadt heraus. Wiederum keine gut sichtbaren Radwegschilder und obendrein, etliche Umfahrungen. Dank der freundlichen Hilfe eines hiesigen Radfahrers, entdecken wir einen  schmalen Steg über den Fluss Fecht der direkt auf einen Radweg Richtung Kientzheim führt.

Es wird allmählich dunkel und wir schauen, dass wir schnell vorwärts kommen. Friedvolle Stimmung, ganz alleine mitten in den Weinbergen, in der Frische der Nacht unter einem Himmel voller Sterne. Die Einfahrt ins Dorf, das noch effektvoll beleuchtet ist, erzeugt einen zauberhaften Eindruck, an dem wir uns erfreuen. Nach dem Stress des Stadtverkehrs und nach ein paar Schritten durch die stillen Gassen eines kleinen elsässischen Weinbergdorfes zieht sich jeder mit einer großen Flasche Wasser in sein Zimmer zurück… es ist noch sehr warm.

Wie so oft wird eine Nachrüstung fällig und diesmal sind es  ultraleichte Radtrikots, so dass wir ein geeignetes Sportgeschäft suchen müssen. Wir werden in Hussen unweit von Colmar fündig. Ein wirklich übergroßes Geschäft mit Fachangebot für jegliche Sportart… und Preisklasse. Sympathisches, kompetentes Personal, ein Geschäft wo die Sportler gerne lange verweilen, vielleicht zu lange! Denn die Zeit geht voran und unser Tagesprojekt – den Besuch einiger sehr bekannter Dörfer an der elsässischen Weinstraße, wie Ribeauvillé und Riquewihr – wird durch die unaufhaltsam steigende Hitze ernsthaft  erschwert. Es sind bereits 26 Grad im Schatten vorhanden und es kann nur wärmer werden.

August 2015 Alsace - Trip 039

Gutes Essen…

August 2015 Alsace - Trip 042

..und noch Fachwerk

Unmittelbar nach Kientzheim, fährt man wieder am Rand der Verkehrsdichten Hauptstraße bis zu einem Kreisel, wo ein echter Radweg nach Norden startet. Von da an, eine angenehme sichere Strecke von gut vier bis fünf Meter Breite, exklusiv für Fahrräder und Wanderer. Einige Radgruppen und viele einzelne Radler in beiden Richtungen. Von Sélestat nach Colmar und umgekehrt mit der Möglichkeit nach Ribeauvillé und Riquewihr in Richtung Vogesen auf die Weinstraße abzuzweigen.

Sanfter Anstieg nach Ribeauvillé, wo wir uns Zeit nehmen das farbenfrohe, aber touristisch geprägte Dorf zu besuchen. Große Besucherzahl und am Nachmittag… eine dichte Menge. Typische Fachwerkhäuser sind häufig zu bewundern, kleine Boutiquen, eine Vielzahl von Weinstuben. Alles sehr gepflegt und hübsch blumig dekoriert. Ganz oben, fast überhängend, das Schloss Sankt Ulrich. Passend  zum Rahmen: eine Gemüsequiche mit Salatteller und eine große Flasche Mineralwasser.

August 2015 Alsace - Trip 052

Das Rote Haus in Ribeauvillé

August 2015 Alsace - Trip 055

Passende Farben

Nach Ribeauvillé ist wohl die Landstraße als Radweg bezeichnet, mit dichtem Straßenverkehr. Und ein anstrengender Anstieg nach Riquewihr.

Das Dorf liegt an einem steilen Hang. Hier wiederum eine Anzahl an Geschäften, die allerlei verkaufen: Weinprodukte, Souvenirs. Auch Weinstuben mit der typischen Fachwerkarchitektur der elsässischen Dörfer.

Riquewihr

Riquewihr Eingangstor mit Zugbrücke

Am oberen Ausgang von Riquewihr, ein scharfer Anstieg wo die letzten Meter die Radfahrerreserven fordern. Vernünftigerweise sollte hier geschoben werden. Dafür, oben angekommen, eine überwältigende Entschädigung: grandioses Panorama über die gesamten Weinberge der Gegend und die elsässische Ebene sogar bis zum Rhein.

Dünnes Verkehrsaufkommen, eine angenehme Radwegstrecke mit rasanter Abfahrt nach Kientzheim. Im unteren Bereich allerdings, zeichnet der Weg eine abrupte, beinahe rechtwinkelige Linkskurve, vor der man unbedingt die Geschwindigkeit drosseln muss, es könnte sonst böse ausgehen.

August 2015 Alsace - Trip 062

Riquewihr – Aussenmauer

Dem Radweg folgend, an Kientzheim vorbei und nach einem sanften Anstieg von etwa zwei bis drei Kilometern, gelangt man ohne Anstrengung nach Kaysersberg. Ein völlig anderer Eindruck, eine ehemalige mittelalterliche Festung auf dem Weg zwischen der Rheinebene und Lothringen. Mit Wehrschloss, befestigter Brücke und einer äußerst gezwängten Lage in den ersten Erhebungen der Vogesen, ausgeprägte martialische Ausstrahlung der Ortschaft. Ganz anders, ein Sohn von Kaysersberg: Albert Schweitzer, Humanist, Arzt und Missionar von Weltruhm.

Radweg nach Kientzheim

Radweg nach Kientzheim

August 2015 Alsace - Trip 118

Kaysersberg mit Schlossmauer

Am Ufer des stürmischen Baches Weiss, der durch Kaysersberg fließt, ein einladendes Restaurant:  Akkordeonklänge für Touristen und Quiche mit Salat  für die Radfahrerkräfte.

Leichte Rückfahrt nach Kientzheim, wo man am Eingang des Dorfes  einen Panzer der französischen 5. DB (Panzer Division), als Symbol der schweren Kämpfe im Elsass am Ende des zweiten Weltkrieges, ansehen kann.

August 2015 Alsace - Trip 119

Kaysersberg,eine Dorfgasse

Kayersberg – Brücke über den Fluss Weiss

Unsere dritte Fahrradtour zielt auf den Besuch der Vauban Festung in Neuf-Brisach. Wir müssen also die gesamte elsässische Ebene, von Kientzheim bis zum Rhein, durchqueren. An dem Tag ist jedoch die Hitzewelle am höchsten Punkt angelangt und solange man mit ca. 20 km/h fährt, kühlt uns der Fahrtwind ausreichend. Das Problem… man muss fahren.

August 2015 Alsace - Trip 123

Der Kanal von Colmar mit Radweg

Die ersten Kilometer sind wieder kritisch, die Verkehrsdichte lässt nicht nach. Eigentlich wäre es möglich die Straßenränder in Radwege umzubauen, denn des öfteren konnten wir beobachten, dass der Abstand zur nächsten Agrarfläche sehr breit war.

Auffallend in dieser Ebene, die unendlich weiten Maisfelder, einige davon noch grün unter der regelmäßigen Bewässerung durch Riesengeräte die den Blick zum Himmel versperren. Die anderen Felder dagegen, sind von der Sonne verbrannt. Anscheinend gibt es nicht viel Viehhaltung mit Auslauf, denn man sieht wenig Wiesen und Rinder. Dafür aber mächtige Hallen mit verräterischer Geruchsverbreitung nach Schweinestall.

Neuf-Brisach

Neuf-Brisach

August 2015 Alsace - Trip 111

Zurück nach Kientzheim

Kein Radweg in Sicht und wir fahren zickzackförmig von Landstrasse zu Landstraße durch die Maisfelder. Unser Vorankommen in Richtung Rhein ist nicht zufriedenstellend und wir können nur bedauern kein GPS-Gerät dabei zu haben. Plötzlich jedoch, auf einer Brücke über einem Kanal, können wir deutlich einen ehemaligen Treidelweg ausmachen, der direkt in Richtung Ost verläuft. Prompte Bestätigung durch einen Wanderer mit Hund der die Gegend gut kennt: Treidelweg am Kanal von Colmar, der selber in den Rhône-Rhein Kanal mündet und von den Radfahrern benutzt wird. Kein Hinweis davon auf meiner Radkarte.

August 2015 Alsace - Trip 105

Schloss Reichenstein in Kientzheim

Von jetzt an geht es schnell vorwärts auf einem Radweg der zwar nicht asphaltiert ist, aber einen festen, halb sandigen Untergrund hat und das über etliche gerade Kilometer. Wir nähern uns schnell Neuf-Brisach, der Festungstadt. Wir sehen eine geometrisch angelegte, massive Stadtmauer, die zur Zeit von Ludwig den XIV. sicherlich eine echte militärische Bedeutung hatte. Etwas abseits, das „Vauban-Museum“. Rundum meisterhaft geschützt, der zentrale Platz „Place d’Armes Général de Gaulle“ beinahe menschenleer, einzelne einfache Geschäfte und ein Imbiss-Restaurant um wieder Kräfte zu sammeln, mit Ziegenkäse- Crêpes und viel Wasser.

August 2015 Alsace - Trip 103

Gedenkmonument an die “ 5è.DB“

Die Rückfahrt nach Kientzheim, um die weitgehend flache Fahrradrunde über 70 Kilometer zu beenden. Mehrere Landstraßen, auch Radwegstrecken und ein schöner, langer Abschnitt auf einem Fahrradweg am Fluss Ille entlang bis Hussen. Von da aus ist der Weg ja schon bekannt…

Am Abend hatten wir einen Abschlussessen in einem guten lokalen Restaurant geplant. Ein halbes Hähnchen in einer dicken Sauce mit einem Glas „Edelzwicker“ der mir etwas süß vorkam. Die einfachen Essen unterwegs bei den Touren, waren uns doch lieber.

August 2015 Alsace - Trip 100

Blumiger Eingang

Die heutige Radrunde war anstrengend, nicht wegen der Distanz, die Strecke verläuft praktisch flach und ist daher leicht zu bewältigen. Sondern wegen der Hitze, die an diesem Tag bis 36 Grad im Schatten erreichte. XXL- Flasche um den Wasserhaushalt aufzufüllen! Morgen Heimfahrt über Straßburg und „La Petite France“!

Fazit: Für den Radwanderer, eine Region mit zwei verschiedenen Aspekten. Einerseits die elsässische Ebene, die mit passender Wetterlage leichte Radtouren anbietet. Und andererseits, die Strecken an den Vogesen die den Radwanderer fordern können allerdings mitten in einem wesentlich attraktiveren Rahmen und mit einer guten Infrastruktur (Hotels und Restaurants). In beiden Fällen würde ich mein GPS-Gerät mitnehmen.

Straßburg und “ la Petite France“

 

August 2015 Alsace - Trip 140

Straßburg -“ Place Kleber“

 

August 2015 Alsace - Trip 136

Straßburg: der Münster von außen und…

August 2015 Alsace - Trip 137

..von innen

Straßburg - "La petite France"

Straßburg – „La Petite France“

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